Die AlphaDekade-Konferenz 2023

zur Dokumentation

Bilder vom zweiten Tag der AlphaDekade-Konferenz © BMBF / Heidi Scherm

„Wissenschaft und Praxis im Dialog“

Das Ergebnis der Umfrage zum Auftakt der AlphaDekade-Konferenz 2023 war deutlich: Die überwältigende Mehrheit der Teilnehmenden hält den bisherigen Austausch zwischen Forschung und Grundbildungspraxis für nicht ausreichend. Auch deshalb widmete sich die Jahreskonferenz der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ der Frage: Wie können Forschungsergebnisse nachhaltig in der Grundbildungspraxis umgesetzt werden. Rund 300 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis trafen sich am 29. und 30. November im Berliner Cafe Moskau. Der Schwerpunkt der Diskussionen lag dabei auf den neuesten Erkenntnissen und Handlungsempfehlungen der 14 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekte.

Forschung will Wissen nicht nur anhäufen, sondern teilen

Ein Bild vom Video der Eröffnungsreder der Bundesbildungsministerin Bettina Stark Watzinger © BMBF / Heidi Scherm
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in ihrer Videobotschaft zur Eröffnung der Konferenz

An der Relevanz des Themas ließ bereits die Eröffnung keinen Zweifel. Bildungschancen seien Lebenschancen, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Videogrußwort. Lesen und Schreiben bedeuteten Selbstbestimmung – und Selbstbestimmung bedeute Freiheit. Auch die Berliner Bildungssenatorin und aktuelle Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Katharina Günther-Wünsch, betonte die Bedeutung von Grundbildung für die Teilhabe an Politik und Gesellschaft. Viel sei bereits erreicht worden, doch die Verstetigung von Strukturen der Grundbildung sei eine gemeinsame Anstrengung, die sich über 2026 hinaus fortsetzen müsse.

Katharina Günther-Wünsch bei ihrer Rede © BMBF / Heidi Scherm
Katharina Günther-Wünsch, Berliner Bildungssenatorin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz

Wie viel die Wissenschaft zur Weiterentwicklung von Grundbildung bereits beigetragen hat und auch künftig beitragen kann, verdeutlichte Dr. Thomas Greiner, Unterabteilungsleiter im Bundesbildungsministerium.  Ob Lernmotivation, Lernwege und Drop-Out-Gründe aus den Angeboten, Mehrwert arbeitsorientierter Grundbildung oder KI-gestütztes digitales Lernen: Die Forschung sei dran an den wesentlichen Themen – und wolle Wissen nicht nur anhäufen, sondern auch mit der Praxis teilen.

Ein Mann an einem Redepult © BMBF / Heidi Scherm
BMBF-Unterabteilungsleiter Dr. Thomas Greiner

Fachforen für die detaillierte Diskussion, Gesprächsrunden für den Überblick

Dazu gab es auf der Konferenz in unterschiedlichen Formaten reichlich Gelegenheit. In insgesamt acht Fachforen diskutierten die Teilnehmenden detaillierte Handlungsempfehlungen der Forschungsprojekte und konkrete Anwendungsmöglichkeiten mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In der ersten Gesprächsrunde sprachen Prof. Dr. Anke Grotlüschen (Uni Hamburg), Dominique Dauser (Forschungsinstitut Berufliche Bildung) und Gundula Frieling (Deutscher Volkshochschul-Verband) über die „Chancen der Digitalisierung für die Grundbildung.

An den Beispielen Literacy-Promptathon, vhs-Lernportal und Lernplattform DIGIalpha zeigten die Expertinnen auf, wie digitale Anwendungen das Lehren und Lernen in der Grundbildung verbessern können. Vor allem die Künstliche Intelligenz führe nun schnell zu tiefgreifenden Veränderungen in der Bildungslandschaft, waren sie sich in ihrer Bilanz einig. Mit einem geschickten Sprachbefehl binnendifferenzierte Kursmaterialien erstellen oder Lernerfolge digital auswerten: Mit KI und Algorithmen ließe sich nicht nur schneller und besser ans Ziel kommen. Es mache auch sehr viel Spaß, sich mit den Anwendungen auseinanderzusetzen, sagte Dominique Dauser auf dem Podium.

Aus der KI-Forschung: Kritisches und kontrollierendes Lesen bleibt entscheidend

drei Frauen bei der Diskussion © BMBF / Heidi Scherm
Prof. Dr. Anke Grotlüschen (li.), Gundula Frieling (Mitte) und Dominique Dauser (re.)

Ebenso wiesen die Expertinnen auch auf die Risiken der digitalen Transformation hin, gerade für Menschen mit Grundbildungsbedarf. Ob Fake News, Reproduktion von Stereotypen durch die KI oder unbedachter Umgang mit der eigenen Dateneingabe: „Kritisches und kontrollierendes Lesen ist die Voraussetzung dafür, mit diesen Risiken umzugehen“, so das Fazit von Anke Grotlüschen. KI werde daher die menschliche Komponente in der Grundbildung nicht ersetzen, fügte Gundula Frieling hinzu. „Die Rolle der Lehrkräfte wird sich verändern, aber wir brauchen sie weiterhin für die Vermittlung von Datenkompetenz und die soziale Kontrolle beim Lernen.“ Forschung könne hier anregen, begleiten und Wissen für die nötigen didaktischen Konzepte verfügbar machen.

Was braucht es für einen schnelleren Transfer?

Warum aber dauert der Wissenstransfer in die Praxis mitunter so lang? Dazu lieferte Prof. Dr. Josef Schrader vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) zu Beginn des zweiten Konferenztages in seinem Vortrag „Wie Wissenschaft praktisch werden kann – Erfahrungen und Herausforderungen in der Alphabetisierung und Grundbildung“ Erklärungsansätze. Manches habe den Weg in die Praxis seit Beginn der AlphaDekade durchaus geschafft. Einst nur in Fachkreisen bekannt, sei das Thema nun ein öffentliches geworden. Vom Jobcenter über den Sozialraum bis hin zur Stadtbibliothek seien viele neue Akteurinnen und Akteure hinzugekommen.

Ein Mann auf einer Bühne © BMBF / Heidi Scherm
Prof. Dr. Josef Schrader bei seinem Vortrag

Doch strukturell habe sich wenig verändert, so Schrader weiter. Das hänge etwa mit Anreizsystemen zusammen. Die Grundbildung stehe vor praktischen Herausforderungen und es fehle an zeitlichen und finanziellen Ressourcen, sich intensiv mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Dem gegenüber steht, dass in der Wissenschaft wiederum Transfer zu wenig belohnt würde. Hier sieht Schrader aber gute Chancen, dass sich etwas bewegen könnte: „Auf der Ebene der EU-Forschungspolitik wird bereits dazu diskutiert, Transfer in der Forschungsförderung künftig stärker zu berücksichtigen, was ich richtig finde.“

Aus der Praxis: Wie Forschung auf die Professionalisierung der Grundbildung wirkt

Mehr Wissen als Grundlage für erfolgreiche Grundbildung schafft aber auch neue Herausforderungen in der Praxis. Das zeigte sich in der abschließenden Gesprächsrunde „Grundbildung zwischen Professionalisierung und Profession“ mit Prof. Dr. Ilka Koppel (Pädagogische Hochschule Weingarten), Sonja Muckenhuber (Institut für Bildungsentwicklung Linz) und Jana Wälchli (Schweizer Dachverband Lesen und Schreiben) aus internationaler Perspektive.

An der PH Weingarten gibt es mit dem Projekt WiBeG die bundesweit erste wissenschaftlich-didaktische Beratungs- und Weiterbildungsstelle zur Professionalisierung in der Grundbildung. Sie berät, qualifiziert und vernetzt Akteurinnen und Akteure in der Alphabetisierung und Grundbildung – und arbeitet dabei ko-kreativ. So fließen wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in die Praxis – und Erkenntnisse aus der Praxis zurück in die Forschung. Vor allem Formate wie Lerngemeinschaften oder Communities of Practice funktionierten für eine Zielgruppe gut, die als Honorarkräfte sonst nirgendwo organisational angebunden sei, sagte Ilka Köppel.

Vier Frauen bei der Gesprächsrunde © BMBF / Heidi Scherm
Von links: Moderatorin Gesa Dankwerth, Prof. Dr. Ilka Koppel, Sonja Muckenhuber und Jana Wälchli

Im Vergleich: Wo stehen Österreich und die Schweiz?

Österreich ist in der Professionalisierung der Basisbildung andere Wege gegangen. Dort ist seit einigen Jahren eine standardisierte Qualifizierung der Lehrkräfte verpflichtend. Sonja Muckenhuber hat am Curriculum mitgeschrieben. Ihre Bilanz fällt gemischt aus. Es sei gelungen, eine flächendeckende Qualität für Basisbildungsangebote zu sichern.

Von einer standardisierten Professionalisierung der Grundbildung ist die Schweiz noch ein ganzes Stück entfernt. Zwischen den einzelnen Kantonen und Sprachregionen gebe es teils erhebliche Unterschiede und auch Bedarfe, sagte Jana Wälchli. Gerade in der deutschsprachigen Schweiz kämen die Lehrkräfte oft aus dem Bereich „Deutsch als Zweitsprache“. Grundbildung sei eher das Anhängsel. Hier habe das Weiterbildungsgesetz von 2017 jedoch einen Durchbruch gebracht. Erstmals seien hier die Grundbildungsbereiche bundesweit einheitlich definiert – und als eigener Bildungsbereich ausgewiesen.

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